Feinchemikalien aus Müll: Abfälle können nicht nur zur Erzeugung nachhaltiger Energieträger beitragen, sondern auch als Rohstoff für verschiedene Produkte dienen.
Das Problem mit dem Abfall
In der belebten Natur gibt es keinen Abfall. Organische Rest- und Abfallstoffe in funktionierenden Ökosystemen werden zersetzt und in Nährstoffe umgewandelt, die wiederum von Organismen aufgenommen und verwendet werden. So entstehen geschlossene Kreisläufe, in denen nichts verloren geht. Im Gegensatz dazu produzieren wir Menschen jedes Jahr eine unvorstellbare Menge an Müll. Unsere Wirtschaft basiert hauptsächlich auf einem linearen Modell, bei dem Produkte hergestellt, verwendet und weggeworfen werden, was zu großen Mengen an Abfall und Verschwendung führt. Ein solches lineare Modell ist sehr weit von der Kreislaufwirtschaft entfernt, die wir in der Natur finden. Außerdem sammeln sich diese Abfälle auf unserem Planeten rasch an und verursachen alle möglichen Probleme wie Umweltverschmutzung und Verseuchung des Grundwassers. Ein bestimmtes Abfallprodukt sorgt dabei für eine besonders große Herausforderung: Kohlenstoffdioxid (CO2).
CO2 als Abfall
Eine Quelle für CO2 und andere Treibhausgase ist der Abbau von organischen Stoffen. Wenn diese zerfallen, wird der größte Teil des in ihren Molekülen enthaltenen Kohlenstoffs in verschiedenen Formen wieder an die Atmosphäre abgegeben. Dieser Prozess ist Teil des normalen Kreislaufs, in dem der Kohlenstoff auf unserem Planeten zirkuliert. Mit der zunehmenden Weltbevölkerung steigt jedoch auch die Menge der Abfälle, die wir jedes Jahr produzieren, einschließlich organischer Abfälle, proportional an. Ein großer Teil dieser organischen Abfälle landet auf Mülldeponien, wo sie über einen langen Zeitraum hinweg zersetzt werden und dabei langsam Kohlenstoff in die Atmosphäre freisetzen. Gleichzeitig werden jedes Jahr große Mengen an fossilen Brennstoffen verwendet, um Energie, Wärme und Produkte wie Chemikalien und Kraftstoffe zu erzeugen. Dies führt zu einem Nettoanstieg der Kohlenstoffmenge in der Atmosphäre und damit zur Erderwärmung.
Was machen wir also falsch? Wie können wir uns von der Natur inspirieren lassen, um unser Abfallproblem zu lösen? Was wäre, wenn wir CO2 und organische Abfälle als Ressourcen nutzen könnten, um unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern? Hier kann die Biologische Transformation helfen.
Abfall: Eine wichtige Ressource
Verschiedene Technologien können eingesetzt werden, um Abfälle in nützliche Produkte umzuwandeln. Dazu gehören thermochemischen Verfahren wie die technische Vergasung, bei der organische Abfälle bei hohen Temperaturen und unter Ausschluss von Sauerstoff in kleine Moleküle wie Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan zerlegt werden. Bei den biochemischen Verfahren hingegen werden Mikroorganismen eingesetzt, um Abfälle auf der molekularen Ebene umzuwandeln.
Mikroorganismen sind mit der richtigen Maschinerie ausgestattet, um Stoffe, die wir normalerweise als Abfall betrachten, in alle möglichen nützlichen Produkte umzuwandeln. Einige können komplexe Moleküle wie die in Holz und anderen pflanzlichen Gewebe enthaltene Zellulose abbauen. Andere können CO2 direkt aus der Luft aufnehmen, um Energie zu gewinnen und zu wachsen. Indem Mikroorganismen Abfälle abbauen und verstoffwechseln, werden Stoffe produziert, die wir für viele verschiedene Anwendungen nutzen können, z. B. als Energiequellen oder als Bausteine für die Herstellung von Materialien und Produkten. Einige Mikroorganismen können sogar Wasserstoff produzieren, den wir als Energieträger nutzen können, um fossile Brennstoffe direkt zu ersetzen. Dank der großen Fortschritte in Bereichen wie Biotechnologie und Biochemie können wir heute sogar das Erbgut von Mikroorganismen verändern, um diese Prozesse zu unserem Vorteil zu optimieren. Ein solcher Ansatz setzt bereits die zweite Ebene der Biologischen Transformation um, nämlich die Integrationsebene.
Das daraus resultierende Konzept ist das, was wir Waste-to-X (aus dem Englisch für Abfall-zu-X) nennen: der Prozess der Umwandlung von Abfällen in wertvolle Produkte.
Der Waste-to-X-Ansatz
Ähnlich wie in der Mathematik kann das »X« im Begriff »Waste-to-X« für eine breite Palette von Produkten stehen: Das können Chemikalien wie Pigmente und Lebensmittelzusatzstoffe, Energieträger wie Wasserstoff oder Chemikalien wie einige Alkohole, die zur Synthese komplexerer Verbindungen verwendet werden können, sein. Der »Waste«-Teil des Namens kann sich auch auf eine breite Palette von Ausgangsstoffen beziehen. Dabei werden insbesondere organische Abfälle berücksichtigt. Durch die Verwendung organischer Abfälle zur Herstellung kohlenstoffhaltiger Produkte wird dieser Kohlenstoff für viele Jahre »eingesperrt«, sodass keine weiteren fossilen Brennstoffe zur Herstellung desselben Produkts gewonnen werden müssen. Kombiniert man dieses Prinzip mit der Erzeugung von Biowasserstoff durch den Einsatz wasserstoffproduzierender Mikroorganismen, kann man zwei Probleme mit einem einzigen Ansatz angehen: Die Emissionen werden reduziert, indem nachhaltig erzeugter Wasserstoff aus nachwachsender Biomasse anstelle von fossilen Brennstoffen oder »grauem«, aus fossilem Erdgas produziertem Wasserstoff verwendet wird. Wenn das dabei als Nebenprodukt gewonnene biogene CO2 langfristig genutzt wird, anstelle in die Atmosphäre gelangen zu lassen, entsteht sogar eine CO2-Senke. Dann spricht man von den sogenannten HyBECCS-Prozessen (engl. Hydrogen Bioenergy with Carbon Capture and Storage). Und das alles geschieht bei gleichzeitiger Wiederverwendung von Abfallstoffen, die andernfalls auf einer Mülldeponie landen und mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre emittieren würden.
Waste-to-X und die Biologische Transformation
Waste-to-X-Ansätze spielen eine wichtige Rolle bei der Biologischen Transformation. Auf der Ebene der Inspiration können wir natürliche Prozesse nachahmen, um unsere Abfälle auf effizientere Weise wiederzuverwenden und zu recyceln, so wie es in der Natur geschieht. Indem wir biologische Systeme wie beispielsweise Mikroorganismen oder Pflanzen einsetzen, um die Aufwertung von Abfallströmen voranzutreiben, befinden wir uns bereits auf der Ebene der Integration. Jetzt stehen wir an der Schwelle zur dritten Stufe: dem Einsatz biointelligenter Systeme. Technologien wie dezentrale und vernetzte Bioreaktoren, die eine breite Palette von Abfallstoffen verwenden und Informationen auf »zelluläre« Weise austauschen können, sind nur ein Beispiel dafür, wie wir das Konzept Waste-to-X weiter in die dritte Stufe der Biologischen Transformation vorantreiben können. So können sie einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer Kreislaufwirtschaft leisten, in der nichts verschwendet wird und Ressourcen geschont werden.
Hat Sie der Waste-to-X-Ansatz neugierig gemacht oder interessieren Sie sich für Wasserstofftechnologien? Nehmen Sie mit uns Kontakt auf!
Ihr Blogger-Team zu Waste-to-X
Johannes Full und Edgar Gamero