Kreislaufwirtschaft von Bioabfällen – mit der Insektenbioraffinerie

Aus Abfällen hochwertige Produkte gewinnen: Wenn dies gelänge, könnten wir nicht nur Müllaufkommen reduzieren, sondern auch Rohstoffe einsparen und obendrein das Klima schützen. InBiRa, eine neue Insektenbioraffinerie am Fraunhofer IGB, zeigt, wie das gehen kann: Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege werden mit organischen Reststoffen und Bioabfällen gefüttert und wandeln diese in neue wertvolle Rohstoffe um. Aus diesen können dann mit neuen Verfahren Schmierstoffe, Tenside oder Verpackungsfolien hergestellt werden. Damit leisten wir einen Beitrag zur Bioökonomie und einer zukunftsfähigen und nachhaltigen zirkulären Wirtschaftsweise.

In Europa fallen pro Jahr 88 Millionen Tonnen Bioabfälle an. Das meiste davon wird nicht weiterverwertet und so bleibt nur die Kompostierung, obwohl Bioabfälle wertvolle Rohstoffe darstellen. Mit unserem Projekt »InBiRa – Die Insektenbioraffinerie« gehen wir einen neuen Weg. Fliegen lieben Biomüll, wir erleben es an warmen Sommertagen an der Biotonne.

Die Fliegen legen ihre Eier auf den organischen Substraten ab, von denen sich die Larven ernähren. Daher setzen wir in unserem Projekt InBiRa auf Fliegen, genauer gesagt die Schwarze Soldatenfliege. Unser Projektpartner PreZero versorgt uns mit dem Futter für die Larven: Abfälle aus den Großkantinen der Region und Lebensmittelrückläufer, zum Beispiel aus Bäckereien und Supermärkten.

Larven der schwarzen Soldatenfliege dienen als Abfallverwerter

Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege sind unser biologisches Werkzeug, um die organischen Abfälle technisch nutzbar zu machen. Sie werden von unserem Projektpartner Hermetia Baruth GmbH in großen Beuteln angeliefert. Nach einer Akklimatisierungsphase werden die Tiere gewogen und in gleich schwere Portionen aufgeteilt. Die Essensreste und die Bioabfälle werden aufbereitet und in flache blaue Kisten gegeben. Sobald wir die portionierten Larven hinzugeben, beginnen sie zu fressen.

Für die Larvenmast haben wir auf dem Dach des Fraunhofer IGB einen Mastcontainer aufgestellt. Im Inneren herrscht eine Temperatur von 35–40°C, hier fühlen sich die Larven wohl. Nach einigen Tagen in der Mastkammer haben sie an Größe zugelegt und in etwa das 15-fache ihres Ausgangsgewichts erreicht.

Mit den Ergebnissen aus unserem Projekt können zukünftig Lebensmittelreste an die Insektenlarven verfüttert werden, die sonst kompostiert oder vergoren werden. Die Nutzung von Biomüll als Nahrung für die Fliegenlarven ist damit im doppelten Sinne positiv: Sie unterstützt die Kreislaufwirtschaft, indem Abfall weiterverwertet wird. Zudem müssen nicht extra Futtermittel für die Larven anbauen, die in Konkurrenz mit der Futter- oder Lebensmittelindustrie stehen.

Insektenbiomasse als Grundlage für hochwertige Produkte

In einem weiteren Prozessschritt gelangen die Futter-Larven-Mischungen in die InBiRa-Pilotanlage. Dort werden die ausgewachsenen Larven zunächst mithilfe einer speziellen Siebanlage von kleineren Futterresten getrennt. Als Vorbereitung für die Raffination der Inhaltsstoffe werden die inaktivierten Insektenlarven dann im benachbarten Technikum mittels überhitztem Wasserdampf getrocknet. Diese energieeffiziente Trocknungsmethode wird seit mehr als 18 Jahren am IGB entwickelt. Nun können die getrockneten Larven weiterverarbeitet werden, um ihre wertvollen Inhaltsstoffe zu gewinnen, das hochwertige Fett und die Insektenproteine.

Arbeitet mit Hitze und Druck: Presse zur Primärraffination

Für die Primärraffination geben wir die Biomasse in eine Presse, in der sie mittels Hitze und Druck in ihre Bestandteile zerlegt wird. Das Ergebnis: Bis zu 90 Prozent des Fetts kann aus den Larven der Schwarzen Soldatenfliege gewonnen werden. Das gewonnene Fett zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Laurinsäure aus, was es für eine Vielzahl von Produkten besonders wertvoll macht. Der Presskuchen enthält nur noch wenig restliches Fett und besteht vor allem aus den wertvollen Insektenproteinen.

Herstellung von höherwertigen Produkten: Schmierstoffe, Biotenside und Verpackungsfolien

Dank der Larven der Schwarzen Soldatenfliege können wir aus dem Bioabfall höherwertige Produkte herstellen. Aus der Fettfraktion beispielsweise Fettsäuremethylesther (Biodiesel), Schmierstoffe und Biotenside. So tragen wir zur Kreislaufwirtschaft und einer nachhaltigen Nutzung von Ressourcen bei. In der Insektenbioraffinerie wird nun das Fett aufgereinigt, das in Zustand und Eigenschaften tropischem Kokosfett ähnelt. Daraus könnte Schmierstoff hergestellt werden. Alternativ ist es auch möglich, die nachhaltige Variante aus der Insektenbioraffinerie mit konventionellen Schmierstoffen zu mischen.

Ein weiteres potenzielles Produkt sind Biotenside. Diese werden vor allem im Kosmetikbereich, wie zum Beispiel in Shampoos oder Cremes, sowie in Reinigungsmitteln verwendet. Am Fraunhofer IGB arbeiten wir bereits seit Jahren an Verfahren, Biotenside herzustellen, wofür wir bisher verschiedene pflanzliche Öle einsetzen. Wir haben nun herausgefunden, dass dies auch mit dem Insektenfett möglich ist. Die Proteine, die im Presskuchen zurückbleiben, können zur Herstellung von Klebstoffen und Bindemitteln, als Beschichtungen oder für Verpackungsfolien verwendet werden. Aus dem anfallenden Restsubstrat ist zudem die Produktion von Düngemitteln möglich. Und wie sich die chitinhaltigen Häute der Larven nutzen lassen, erfahren Sie bald in einem anderen Blog-Beitrag zu InBiRa.

Sollten auch Sie einen wertvollen Beitrag zu einer zukunftsfähigen und nachhaltigen zirkulären Wirtschaftsweise leisten und Biotenside, Schmierstoffe oder Beschichtungen aus Insektenrohstoffen herstellen wollen, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf!

Die InBiRa Projektpartner:

  • Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Stuttgart (Koordination)
  • Hermetia Baruth GmbH, Baruth/Mark Brandenburg
  • ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH
  • Universität Stuttgart, Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP)
  • Universität Stuttgart, Institut für Siedlungswasserbau Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA)
  • PreZero Stiftung & Co. KG, Neckarsulm (assoziierter Partner)

Ausführliche Informationen zum Projekt finden Sie hier:

 

Förderhinweis

Wir danken dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg und der Europäischen Union für die Förderung des Projekts »InBiRa« im Rahmen des EFRE-Programms »Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling«.

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