Der 2. Biointelligenz Kongress am 22. Oktober in Stuttgart bot eine einzigartige Plattform zur Diskussion und Erforschung der Integration biotechnologischer Innovationen und intelligenter Produktionsansätze in der industriellen Wertschöpfung. Ein Highlight war die Verleihung des Wittenstein Biointelligenz Preises.
Um innovative Lösungen in der biointelligenten Fertigung zu erforschen und in die Öffentlichkeit zu tragen, stand der Kongress ganz im Zeichen des Austauschs und der Vernetzung von Experten aus Forschung, Industrie und Start-ups sowie der Politik. Professorin Julia Fritz-Steuber, Prorektorin für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Transfer an der Universität Hohenheim, begrüßte die Gäste und eröffnete den Kongress. In der ersten Keynote sprach Professor Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer IPA und erster Vorstandsvorsitzender des Kompetenzzentrums Biointelligenz, über die globale Perspektive der biologischen Transformation der Industrie und stellte die Ergebnisse der Untersuchung Internationale Benchmark Biointelligenz, InBenBio, vor. Dr. Shai Melcer, Head of the National Bio-Convergence Program Israel, referierte über die gobalen und gleichermaßen lokalen Auswirkungen, die sich aus der Konvergenz von Biologie, Technik und Informationstechnik ergeben. Die dritte Keynote hielt Philipp Heuermann von Ginkgo Bioworks, Commercial Lead (Datapoints). Er diskutierte in seinem Vortrag »Making Biology Easier to Engineer – Unlocking Novel Approaches to Biotec R & D« wie Biologie für Ingenieure durch eine wegweisende Plattform vereinfacht werden kann. Die staatliche Perspektive zur Förderung der Biointelligenz ergänzte die Wirtschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, in ihrer Rede. Über den aktuellen Stand und die Zukunftsaussichten von Biointelligenz in den Bereichen Medizin, Ernährung, Produktion und Architektur referierten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in verschiedenen Sessions. Eine Ausstellung rundete das Programm ab.
Forschung zur biointelligenten Ernährung
Professorin Barbara Lieder der Universität Hohenheim verantwortete die Session der Forschung zur biointelligenten Ernährung. Vorgestellt wurden Lebensmittel aus dem 3D-Drucker (Prof. Dr. Mario Jekle, Universität Hohenheim) und ein »Bioelektronisches In-vitro-Modell des menschlichen Darms zur Untersuchung der Mechanismen der Ernährung« (Dr. Verena Stöger, Universität Cambridge & Italienisches Institut für Technologie). Erste Erfahrungen von Biointelligenz in der Lebensmittelforschung und künftige Bedarfe präsentierte das globale Unternehmen Symrise (Dr. Stephan Brückner, Symrise).
Biointelligente Produktionssysteme
Die Session unter der Leitung von Professor Ralf Takors von der Universität Stuttgart setzte sich mit biointelligenten Produktionssystemen auseinander. Diese basieren auf erneuerbaren Rohstoffen und ermöglichen durch intelligente Produktionsmethoden eine nachhaltige Fertigung. Mathematische Modelle und Künstliche Intelligenz verbessern die Genauigkeit und Effizienz dieser Systeme: »Integration der prädiktiven Modellierung für automatisierte Entscheidungsfindung im Hochdurchsatz« titelte Dr. Annina Kemmer von der TU Berlin ihren Vortrag. Weitere Vorträge in dieser Session waren: »The Biointelligent Design-Build-Test-Learn Cycle« (Dr. Ian Fotheringham, Ingenza, UK); »ManuFUTURE Subplattform Biointelligente Fertigung« (Yannick Baumgarten, Fraunhofer IPA, Gianluca Trotta, STIIMA-CNR); »Automatisierung von Bioreaktoren« (Andreas Häckh, Festo).
Biointelligente Innovationen zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit
Unter der Leitung von Professor Martin Giese, Universität Tübingen, ging es um die bahnbrechenden Möglichkeiten biointelligenter Technologien für personalisierte Therapien, die Herstellung von Arzneimitteln sowie für Diagnose- und Unterstützungssysteme. Wie diese Technologien die Interaktion zwischen Menschen und biointelligenten technischen Systemen revolutionieren können, wurde in folgenden Vorträgen greifbar: »Neuromechanische Modellierung bei der Gestaltung von Soft-Bio-Roboter-gestützten Geräten zum Ausgleich von Bewegungsstörungen (Prof. Dr. Daniel Häufle, Universität Tübingen); BioProS: Ein biointelligenter Produktionssensor zur Messung der viralen Aktivität (Prof. Dr. Günter Gauglitz, Universität Tübingen); Bioprinting von mikrofluidischen Strukturen und Prozessüberwachungsansätze in BioProS (Patrizia Gironi und Egon Prioglio, Politecnico di Milano); »Wie Quanten-Magnetfeldsensoren eine neue Art von Mensch-Maschine-Schnittstelle ermöglichen« (Dr. Robert Rölver, Q.ANT).
Biointelligentes Leben und Design
Wie biologische Prinzipien und Materialien Wohnräume und Produktdesigns gestalten können, war die leitende Frage dieser Session, die der Architekt Professor Martin Ostermann von der Universität Stuttgart moderierte: »Myko-intelligentes Design: Die Weisheit der Pilze für regenerative Architekturnutzen« (Prof. Martin Ostermann, Universität Stuttgart); »Werden Enzyme die Welt von morgen bauen?« (Prof. Dr. Oliver Schwarz, Fraunhofer IPA); »Eingebettete umweltbezogene Intelligenz in Pflanzen und Pflanzenorganen (Prof. Dr. Thomas Speck, Universität Freiburg); »Maschinelles Lernen zur nachhaltigen Materialentwicklung für Produkte« (Frederik Löw, Value Data).
Verleihung des Wittenstein Biointelligenz Preises
Im Rahmen des Biointelligenz Kongresses wurde dieses Jahr zum ersten Mal der Wittenstein Biointelligenz Preis vergeben. 11 Einzelpersonen und 29 Unternehmen, darunter zahlreiche Start-ups hatten sich für den Preis beworben. Sechs Finalisten wurden nominiert. 2 Einzelpersonen und 4 Unternehmen pitchten ihre innovativen Ansätze an der Schnittstelle von Lebenswissenschaften, Ingenieurwesen und Informationstechnologie auf dem Kongress. Das Rennen machte das Start-up Senara aus Freiburg. Es kultiviert Zellen, die aus den Brustdrüsen laktierender Tiere isoliert wurden, in einem Bioreaktor. Milch ohne Kühe zu erzeugen, war der Jury einen 1. Preis wert. Dr. Svenja Dannewitz und ihr Team nahmen den großen symbolischen Scheck über 20 000 Euro von Dr. Manfred Wittenstein, dem Kuratoriumsvorsitzenden der Wittenstein Stiftung entgegen. Den mit 5000 Euro dotierten 1. Preis für Einzelpersonen erhielt Dr. Miriam Filippi von der ETH Zürich. Sie hat ein Prinzip entwickelt, mit dem künstliches Skelettmuskelgewebe über In-vitro-Assemblierung und Maschinelles Lernen zur funktionellen Reifung gebracht wird. Neben dem Innovationsgrad und der industriellen Umsetzbarkeit spielte Nachhaltigkeit bei der Entscheidung der fünfköpfigen Jury eine gewichtende Rolle. Der Wittenstein Biointelligenz Preis wird von der Wittenstein Stiftung finanziert und zeichnet von nun an jährlich neuartige Entwicklungen aus den Bereichen Biotechnologie und Informationstechnik aus.
Die Preisträgerinnen, Dr. Svenja Dannewitz vom Start-up Senara und Dr. Miriam Filippi, stellen ihre Entwicklungen demnächst in einem eigenen Post vor. Bleiben Sie dabei!
Der Biointelligenz Kongress wurde gemeinschaftlichen vom Verein zur Förderung produktionstechnischer Forschung e.V. (FpF) und dem Kompetenzzentrum Biointelligenz sowie den Universitäten Stuttgart und Hohenheim, dem Fraunhofer IPA, der Stadt Stuttgart und der Wittenstein-Stiftung organisiert.