Computerviren sind dafür bekannt, intelligent zu sein. Sie können in fremde Systeme eindringen, sie für sich nutzbar machen und für ihre eigenen Zwecke »umdrehen«. Ganz schön clever. Doch ihre biologischen Vorbilder stehen ihnen in keiner Weise nach – sie können ebenfalls sehr intelligent vorgehen. Das macht sich die Forschung zu Nutze, indem sie sozusagen »biologisches Hacking« betreibt und Viren »umprogrammiert«: So können sie als therapeutische Viren in der Medizin eingesetzt werden – und somit vom Bösewicht zum Lebensretter werden. Sogar in der Krebstherapie könnten sie zukünftig eine große Rolle spielen.
Viren sind »Bio« − ist ja klar! Aber intelligent? Also bei »Intelligenz« kommen uns doch unweigerlich eher Computerviren in den Sinn. Diese speichern Informationen und können dazu programmiert werden, in Computerprogramme einzudringen und dort eigene Informationen einzubauen. Und natürlich sind sie bekannt dafür, dass sie sich vermehren und verbreiten können, dabei die Ressourcen des Wirtscomputers nutzen und dem oft sogar schaden.
Schauen wir uns aus diesem Blickwinkel mal ihre biologischen Kollegen an: Auch diese echten Viren erkennen ihre Wirte spezifisch, dringen in diese ein und beuten sie für ihre Vermehrung aus. Sie können dabei ihr genetisches Material in den Wirt einbringen, es sogar im Wirtsgenom stabil verankern und damit zu einem dauerhaften Bestandteil der Wirtszelle machen. Ihre Vermehrungsfähigkeit ist legendär, können sie doch auf diese Weise dem Wirt massiv schaden und gleichzeitig ihre Verbreitung sichern.
Meistens begegnen uns diese echten Viren als Ursache einer Erkrankung. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben aber darauf abgezielt, solche natürlich vorkommenden Viren umzuprogrammieren. Dadurch können aus Bösewichten Viren mit zahlreichen nützlichen Eigenschaften entwickelt werden. Die Guten sind längst schon Teil unseres therapeutischen Arsenals geworden: Therapeutische Viren sind Bestandteil von ATMPs – Advanced Therapeutical Medicinal Products – und werden in vielfältiger Weise für die Zell- und Gentherapie eingesetzt. Hier kommt ihre gesamte Biointelligenz zum Tragen.
Viren sind programmierbare Informationsträger und Vektoren
Aber wie können Viren für therapeutische Zwecke programmiert werden? Durch die Corona-Pandemie ist uns der Aufbau von Viren bestens vertraut: Kleinste Proteinkapseln, manche sind zusätzlich von einer Lipidmembran umhüllt, schließen das virale Genom ein. Auf dieser biologischen Festplatte sind der Bauplan des Virus und das Programm für dessen Vervielfältigung gespeichert. Viren sind damit intelligente Informationsträger und -speicher auf kleinstem Raum. Durch zielgerichtete Infektion von Zellen kann diese Information sehr spezifisch transferiert und abgelesen werden. Viren sind damit hervorragende biotechnologische Werkzeuge, auch Vektoren genannt, um Zellgrenzen zu überwinden und Informationen zu übermitteln.
Virales Genom-Engineering
Um Viren therapeutisch nutzen zu können, müssen wir sie unseren Bedürfnissen anpassen. Dies kann im Labor gezielt durch Engineering des Virus-Genoms erreicht werden. Die Viren werden dabei von den Bio-Ingenieuren neu programmiert: Virale Eigenschaften, die die Ausprägung einer Krankheit begünstigen, werden entfernt oder ausgeschaltet. Neue Funktionen können maßgeschneidert und präzise eingebaut werden. Mit dem molekularen Werkzeugkasten (»Toolbox«), man könnte auch sagen der Programmiersprache, die wir am Fraunhofer IGB verfügbar haben, können wir Viren entsprechend unseren Wünschen und Bedürfnissen anpassen. Als Ergebnis stehen uns sichere Viren mit neuen therapeutischen Funktionen zur Verfügung.
Neuartige Virus-Engineering-Plattform gegen Krebs
In den letzten Jahren konnten wir am Fraunhofer IGB eine neuartige virale Engineering-Plattform auf Basis des Herpes-simplex-Virus (HSV) etablieren. Natürlicherweise befällt HSV auch Nervenzellen, um dies zu verhindern, wurden die hierfür nötigen Gene gezielt ausgeschaltet. Dies war möglich, weil Herpes-Viren durch langjährige Forschung sehr gut charakterisiert sind und wir am Fraunhofer IGB über viele Jahre Erfahrung mit diesen Viren – insbesondere dem Engineering ihres Genoms – sammeln konnten.
Die entstandene Plattformtechnologie bildet die Basis für ein vereinfachtes Programmieren der Viren mit neuen therapeutischen Funktionen und adressiert nachweislich die Ansprüche höchster Sicherheit. Durch Virus-Engineering kann die Virus-vermittelte Onkolyse mit der T-Zell-vermittelten Immuntherapie in einem Virusvektor vereint werden. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass Tumoren sowie Metastasen durch diese Virotherapie effektiv zerstört werden, ja sogar eine personalisierte Impfung gegen den aufgetretenen Krebs erfolgt, um damit Krebs nachhaltig bekämpfen zu können. Das als Patent eingereichte Verfahren steht bereit, um nun mit Industriepartnern zur Translation hin entwickelt zu werden.
Therapeutische Viren sind »the next big thing« – bleiben Sie also dran! Informieren Sie sich über unsere LinkedIn-Seite! Verfolgen Sie auch die Blogs zu Bakteriophagen, biointelligente Viren, die bakterielle Infektionserkrankungen bezwingen können!