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Massenprodukt versus Unikat. Der Weg zur passenden aktiven Orthese

Wer nach einem Unfall oder durch eine Krankheit einen Arm oder ein Bein nicht mehr voll kontrollieren kann, war bis vor nicht allzu langer Zeit auf starre Standardschienen angewiesen. Sie sind in der Regel unbequem und meist schmerzen sie nach einer gewissen Tragezeit. In unserer Gruppe »Physische Assistenzsysteme und smarte Sensoren« am IPA und »Mensch-Technik-Interaktion« am IFF der Uni Stuttgart versuchen wir, mit der Forschung an individuellen Orthesen zu helfen, die zwar personalisiert sind, aber auch bezahlbar. Darüber hinaus unterstützen sie auch mit »eigener Kraft« als elektrisch – aber nur soweit dies wirklich notwendig ist. Ganz schön komplex …

… wenn dein starker Arm es will

Die Entwicklung einer solchen Orthese ist logischerweise untrennbar verknüpft mit der Überlegung, wie sie am besten auf das Individuum angepasst werden können, um angenehm und genau an der richtigen Stelle zu sitzen und dabei auch die gewünschte Funktion zu gewährleisten. Traditionell erfolgt dies über einen Abguss der betreffenden Gliedmaße, um ein Modell der Patient*innen zu erhalten, an welchem dann in Handarbeit die Orthese gefertigt wird.

Standardisierbare orthetische Versorgungen dagegen sind als Massenprodukt in abgestuften Größen erhältlich, liefern Stabilität an der notwendigen Stelle durch Kunststoff-, Metall- oder Carbonfaserelemente und sind über textile einstellbare Verschlüsse noch in gewissen Grenzen anpassbar.

Dazwischen liegt ein weites Feld an Modulbaukästen, die Teile der Orthese mit Standardschnittstellen in verschiedenen Größen liefern, wobei die Zusammenfügung zu einer auf das Individuum angepassten Gesamtorthese den Orthopädietechniker*innen obliegt.

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Jeder Fall ist anders

In dieser Gegenüberstellung liegen mehrere Fragestellungen, denn je nach Anwendungsfall, ob in der Rehabilitation oder Prävention, sind die Anforderungen an aktive Orthesen verschieden:

  • Wie zeit- und arbeitsaufwändig darf die Anpassung von Orthesen an den Menschen sein?
  • Wie sieht ein Mittelweg zwischen Generalisierung und Personalisierung aus?
  • Wie ist er zu erreichen?
  • Welche Freiheitsgrade werden aktiv unterstützt, welche passiv?
  • Welche sind aus Usability- und auch Sicherheitsgründen freizustellen?
  • Wie groß darf und kann der Bewegungsbereich sein, um noch die gewünschte Funktion zu gewährleisten?

Letztlich spielt für Entwicklungsingenieur*innen auch eine Rolle, welche Auswirkungen diese Entscheidungen auf die Entstehung aktiver Orthesen haben. Insbesondere im Hinblick auf die regelungstechnische Komponente entsteht hier ein schwieriger Übergang zwischen starrer, wohldefinierter Mechanik einerseits und der nachgiebigen, variablen und damit nur schwierig modellhaft abbildbaren menschlichen Haut, also zwischen Maschine und Mensch.

Ex Machina

Um diesen Übergang optimal zu gestalten, halten 3D-Scans zunehmend Einzug in die Orthesenproduktion. Hierbei wird das betreffende Gliedmaß digitalisiert, um im Nachgang mittels Konstruktionssoftware eine parametrisier- und individualisierbare Orthese zu erhalten. Zugleich ist es somit einfach möglich, die erstellte Datei mittels additiver Fertigung (3D-Druck) direkt herzustellen. Dies erlaubt die reproduzierbare Fertigung ästhetisch und mechanisch anspruchsvoller Produkte.

Software erkennt Änderungen von Kraft, Richtung, Energie jederzeit

Im Zuge der Digitalisierung sowie der Durchbrüche bei KI und Machine Learning wird an Methoden gearbeitet, anhand der erstellten 3D-Scans automatisiert Produkte zu generieren. Hierbei sollen wichtige Abmaße wie Gelenkpunkte, Dicken und Höhen von der Software erkannt und dazu genutzt werden, anhand eines digitalen Formrohlings eine individualisierte Orthese zu erstellen.

Für die Entwicklung aktiver Orthesen muss dies bedeuten, die unterschiedlichen Körperabmaße und damit kinetische (Kraft) und kinematische (Richtung) Änderungen sensorisch zu erfassen und zu kompensieren.

Ebenso muss dem möglicherweise aufkommenden Gefühl begegnet werden, in einer Maschine eingesperrt und fremdbestimmt zu sein. Die aktive Orthese muss die Freiheit gewähren, so weit möglich noch eigenständig agieren zu können und sollte nur im Bedarfsfall (durch Intentionserkennung) unterstützen. Dafür eignen sich sogenannte unteraktuierte Systeme, also solche, die nicht jeden einzelnen Freiheitsgrad und jede einzelne Bewegung steuern, sondern eingebaute Nachgiebigkeiten wie etwa Feder/Dämpfer-Komponenten haben. Die müssen allerdings ebenfalls regelungstechnisch abgebildet werden und tragen somit zu einer höheren Komplexität bei der Entwicklung bei.

Zur Lösung dieser Fragen ist ein interdisziplinäres Team aus den Ingenieurwissenschaften, der Ergonomie und Orthopädie, wie wir es hier am IPA haben, unerlässlich.

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