Künstliche Muskeln und KI vermeiden Tierversuche

Tissue Engineers, also „Gewebezüchter“ können bereits heute Muskelgewebe herstellen, das sich als Reaktion auf elektrische Stimulation zusammenzieht. Diese beweglichen Gewebe helfen uns, Tierversuche zu vermeiden und bieten Anwendungsmöglichkeiten in der Arzneimittelentwicklung, bei implantierbaren Geweben, im Labor gezüchtetem Fleisch und sogar in der Robotik (Abb. 1).

Im Labor hergestelltes Skelettmuskelgewebe im Zentimetermaßstab

Die traditionelle Biofabrikation von Zellen zu komplexen Geweben ist jedoch ressourcenintensiv und langsam. Sie beruht in der Regel auf Versuch und Irrtum. Für einen effizienteren und skalierbareren Prozess kann man Computermodelle und maschinelles Lernen nutzen. Damit kann man alle relevanten Parameter, die die Biofabrikation beeinflussen, simulieren und optimieren, noch bevor wir mit der Arbeit im Biolabor beginnen. Maschinelle Lernmethoden sind hilfreich, um die Charakterisierung unseres Gewebes zu erleichtern, beispielsweise indem sie die Datenanalyse mikroskopischer Bilder beschleunigen. Sie können auch die Muskelbewegung optimieren, indem sie Myriaden möglicher Material- und Designkombinationen für die Herstellung unseres Gewebes im Labor analysieren.

Muskeln im Labor bewegen sich insbesondere deswegen, weil wir ihnen dies über elektrische Reize „befehlen“. Was aber wäre, wenn sie ihre kontraktile Aktivität autonom regulieren könnten? Dazu müssten sie ihren mechanischen Zustand in Echtzeit kennen und diese Informationen dann nutzen, um über nachfolgende Aktionen zu entscheiden (Abb. 2). „Wenn ich so angespannt bin, möchte ich mich dann stärker anspannen oder stattdessen entspannen?“, würde sich der Muskel dann fragen.

Autonome Regulierung des kontraktilen Verhaltens eines in vitro konstruierten und mit elektrischen Signalen stimulierten Muskels

Um unseren Muskel „intelligent“ zu machen, haben wir ihn mit Sensoren ausgestattet, die Informationen über seinen biomechanischen Zustand liefern. Unsere Sensoren sind flexibel oder druckbar, sodass sie in das Weichgewebe des Muskels integriert werden können (Abb. 3).

Einbettung eines mechanischen Sensors, der als flexible Faser in das konstruierte Skelettmuskelgewebe konzipiert ist

Darüber hinaus haben wir Rückkopplungsregulierungssysteme entwickelt, die es dem elektrischen Stimulationsaufbau der Bioreaktoren ermöglichen, je nach kontraktilem Zustand des Muskels die Abgabe elektrischer Signale zu stoppen oder fortzusetzen. Unser Closed-Loop-System passt die elektrische Stimulation autonom an, um eine präzise Steuerung zu gewährleisten, und kann in Zukunft für automatisierte Gewebekulturprotokolle verwendet werden.

Letztlich wird die Kombination von In-silico-Vorhersage und Feedback-Kontrolle zu neuen Paradigmen für ein nachhaltiges und übertragbares Tissue Engineering führen (Abb. 4).

Informiertes, ML-optimiertes Tissue Engineering wird nachhaltig sein

Wir sind stolz und glücklich, dass unsere Idee mit dem Wittenstein Biointelligence Award 2024 ausgezeichnet wurde! Tauchen Sie tiefer ein und erfahren Sie, wie wir am Soft Robotics Lab der ETH Zürich die Zukunft des informierten Tissue Engineering und der biohybriden Robotik gestalten! Übrigens: Der Wittenstein Biointelligence Award wird von nun an jedes Jahr verliehen. Bleiben Sie dran und bewerben Sie sich beim nächsten Mal!

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