Biointelligenz beschreibt die Zusammenführung von Biologie, Technik und IT-Technologie. Das digitale Element ist dabei von zentraler Bedeutung in vielen Bereichen. So basiert die Steuerung von biointelligenten Systemen auf Datenflüssen. Doch wo kommen diese Daten her? Hier spielen Biosensoren eine essenzielle Rolle. Sie erfassen biologische Vorgänge und setzen sie in (digitale) Daten um, die zur Steuerung der Systeme notwendig sind, oftmals sogar in Echtzeit. Am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickeln und nutzen wir Biosensoren zur Anwendung im Gesundheitsbereich, also in der Medizin, aber auch darüber hinaus − etwa für die Kosmetikbranche oder zur Qualitätssicherung bei Trinkwasser oder Lebensmitteln.
Wenn man Biologie und Technik miteinander verbinden möchte, besteht die große Herausforderung darin, beide Elemente miteinander kommunizieren zu lassen. Man benötigt also eine gemeinsame Sprache – diese besteht aber nicht aus Worten, sondern aus Daten. Um diese zu erfassen, sind Biosensoren unerlässlich. Sie detektieren bzw. messen biologische Parameter und wandeln sie in ein physikalisches Signal um. Ein einfaches Alltagsbeispiel hierfür sind die während der Corona-Pandemie allgegenwärtigen Antigen-Schnelltests. Auch diese wandeln die Anwesenheit des Coronavirus auf dem enthaltenen Teststreifen in ein physikalisches Signal um – in diesem Fall eine einfache Farbreaktion, die der Anwender mit bloßem Auge erfassen kann. Die Rolle eines Biosensors übernehmen dabei die auf dem Teststreifen angebrachten Marker-Moleküle.
Bei unseren am IGB entwickelten und genutzten Biosensoren geht die Reaktion meist über ein optisches Signal hinaus – denn in der Regel ist nicht das menschliche Auge der Adressat, sondern ein digitales Steuerungssystem, das die erfassten Daten direkt in Anweisungen bzw. Befehle an das Gesamt-System ummünzt.
Biosensoren: Aufbau, Funktionsweise und Typen
Konkret besteht ein Biosensor aus einer biologischen Komponente und einem physikalischen Sensor, auch Transducer genannt, die sich beide in direktem Kontakt befinden. Das biologische Erkennungselement kann zum Beispiel aus einem Enzym, einem Antikörper, DNA, Rezeptoren, aber auch aus ganzen Zellen und Gewebeschnitten bestehen.
Wird dieses aktiviert, entsteht aus der Interaktion zwischen den Elementen zunächst ein biologisch-chemisches Signal. Dieses wird dann durch den Transducer erfasst und in ein elektrisches oder optisches Signal umgewandelt, das sich dann wiederum digital erfassen lässt. Anhand des jeweiligen Messprinzips ergeben sich unterschiedliche Typen von Biosensoren. Drei von ihnen sind hier beispielhaft genannt:
- Elektrochemische Sensoren
- Optische Sensoren
- Zelluläre Biosensoren
Durch ihre Vielfältigkeit sind die Biosensoren somit prädestiniert für den breitgefächerten Einsatz in unterschiedlichen Bereichen. Das reicht von der Biotechnologie über Risk Assessment mittels sog. New Approach Methods bis zur Umweltphysik. Wir am Fraunhofer IGB haben verschiedene zelluläre Biosensoren entwickelt, etwa für den Nachweis von mikrobiellen Bestandteilen, die unter anderem der Erkennung von Pyrogenen in Medizinprodukten und der Trinkwasserkontrolle dienen.
Geschäftsfeld Gesundheit des IGB: Biosensoren als Schlüsseltechnologie
Biosensoren spielen insbesondere im Bereich der molekularen Präzisionsdiagnostik sowie bei Screening- und Testsystemen für die Entwicklung medizinischer Wirkstoffe und für die Sicherheitsbewertung von Substanzen allgemein eine wichtige Rolle. Folgende Beispiele wurden hierfür am IGB entwickelt:
In-vitro-Testsysteme: Präzise Aussage über das biologische Potenzial von Substanzen
Zellbasierte Testsysteme, ein Schwerpunkt der Entwicklung am IGB, sind als Alternativen zu Tierversuchen nun in weiten Bereichen erwünscht. Hier wird auch von »NAMs« gesprochen, also New Approach Technologies. Diese Testsysteme kommen sowohl bei der Sicherheitsbewertung von medizinischen als auch von kosmetischen Wirkstoffen zum Einsatz. Gerade Aufgrund des EU-weiten Tierversuchsverbot für Kosmetika ist der Bedarf an solchen Testmethoden in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Zudem wurden diese Methoden in den letzten Jahren auch für die Sicherheitsbewertung von Chemikalien nach REACH als gute Alternativen für Tierversuche akzeptiert. Die zellbasierten Biosensoren stellen für solche Systeme ein Schlüsselelement dar.
Adverse Outcome Pathways: Biologische Signalwege nutzen mit Biosensoren
Ein zentrales Anwendungsgebiet für präzise Aussagen über das biologische Potenzial von Substanzen mittels Biosensoren sind die am IGB entwickelten 3D-Hautmodelle. Mit diesen lassen sich toxikologische Effekte (auch über eine Zeit von mehreren Wochen) z. B. von Cremes oder Salben, aber auch von Chemikalien aller Art, schnell und zuverlässig auf ihre Verträglichkeit überprüfen. Über sog. Adverse Outcome Pathways (AOPs) lassen sich mithilfe von Biosensoren quantitative Aussagen über schädliche Auswirkungen von Substanzen erfassen. Dies hilft dabei, ein tieferes Verständnis der Wirkmechanismen von Chemikalien auf den menschlichen Körper zu gewinnen. Die Hautmodelle des IGB kommen bei der Untersuchung von Medikamenten – sowohl für die Human- als auch für die Veterinärmedizin – und insbesondere von Kosmetika zum Einsatz (hierfür erhielt das IGB 2024 den Hamburger Forschungspreis für die Vermeidung von Tierversuchen).
Molekulare Präzisionsdiagnostik: Sepsis schneller und sicherer erkennen und behandeln
Im Bereich der molekularen Präzisionsdiagnostik verbinden unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Methoden aus der Molekularbiologie und der Bioinformatik (Genomsequenzierung mithilfe von Next-Generation Sequencing). Diese Kombination ermöglicht es, Erreger schneller und sicherer zu identifizieren. Gerade am Beispiel eines unserer Forschungsschwerpunkte, der Sepsis-Diagnostik, zeigt sich die enorme Relevanz solcher Technologien, denn bei Sepsis zählt jede Minute und der herkömmliche Erregernachweis über klassische Zellkulturen ist wesentlich zeitaufwendiger. Kein Wunder also, das unsere In-vitro-Diagnostik 2024 – zusammen mit der Noscendo GmbH, einer erfolgreichen Ausgründung des IGB, und dem Uniklinikum Essen – mit dem Wissenschaftspreis des Stifterverbandes ausgezeichnet wurde.
Biosensoren auch in den Forschungsbereichen Chemie und Umwelt wichtig
Zur Gesundheit von Mensch und Umwelt tragen Biosensoren nicht nur im medizinischen Bereich bei, sondern auch im Rahmen von Entwicklungen aus unseren Geschäftsfeldern Nachhaltige Chemie sowie Umwelt und Klimaschutz. Beispiele hierfür wären die Trinkwasser-Analytik oder das AOP-Monitoring für individuelle PFAS sowie das Risk-Assessment für Chemikalien generell.
Profitieren Sie von unserer Erfahrung mit Biosensoren!
Am IGB stellen wir unsere langjährige Expertise in der Entwicklung und Anwendung von Biosensoren gern für Kunden und Partner sowohl aus der (klinischen) Forschung als auch aus der Industrie zur Verfügung. Die vielfältigen Anwendungsgebiete der Biosensoren reichen von der Biotechnologie über die Lebensmitteltechnologie, die Medizintechnik, die Elektrochemie bis hin zur Umweltanalytik und der Risikoprüfung. Wir entwickeln geeignete biologische Sensoren für Ihren Bedarf, von der Auswahl der Zellen bis zur Auswertung des physikalischen Signals. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!