Viren und virale Vektoren als neue Therapieklasse haben ein enormes Potenzial, bisher schwer behandelbare Erkrankungen wie genetische Defekte oder Krebs zu bekämpfen und sogar zu heilen. Die manuelle Herstellung viraler Vektoren ist nach wie vor fehleranfällig, sodass ca. 80 bis 90 Prozent des produzierten Materials nicht funktionsfähig ist. Dabei ist die Produktionskapazität schätzungsweise ein bis zweifach geringer als der derzeitige und künftige Bedarf. Um die klinische Verfügbarkeit von viralen Therapien zu erhöhen, ist es notwendig, ihre Produktion effizienter und zuverlässiger zu gestalten. Im Rahmen des EU-Projekts BioProS soll eine innovative Sensortechnologie entwickelt werden, welche die Herstellung von Viren in der Biotechnologie-Industrie revolutionieren kann. Aber was bedeutet das eigentlich und warum ist das wichtig?
Herausforderungen in der Virus-Produktion
Die Produktion von Virus-basierten Therapeutika und Vektoren erfordert immer noch viele teure und fehleranfällige manuelle Schritte. Diese erfolgt unter Verwendung komplexer Bioproduktionsverfahren, die für jeden spezifischen Virus optimiert werden müssen, um hochwertige Produkte zu erhalten. Diese Prozesse sind nach wie vor arbeitsintensiv und erfordern umfangreiche Entwicklungsarbeiten sowie eine umfangreiche Reihe von Qualitätskontrollen.
Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Virus-Produktion
Um biologische Produkte kontinuierlich und kosteneffektiv in gleichbleibend hoher Qualität herstellen zu können, muss der Herstellungsprozess durch neue oder verbesserte Prozesstechnologien und -kontrollen optimal gestaltet und gesteuert werden. Es besteht ein dringender Bedarf an schnellen und robusten Technologien für die Produktanalytik und strenge Qualitätskontrollverfahren. Hier kommt BioProS ins Spiel.
Die Vision von BioProS
Ein Schlüssel zur effizienten Prozesssteuerung und Digitalisierung in der Produktion sind neuartige Inline-Sensortechnologien. Das BioProS-Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, eine Biohybrid-Sensortechnologie zu entwickeln, die es ermöglicht, den Herstellungsprozess von Viren kontinuierlich und in Echtzeit zu überwachen. Das Besondere an dieser Technologie ist, dass sie auf lebenden Zellen basiert. Die Verwendung von Zellen als Sensorelemente für den Nachweis von Viren in Kombination mit einer digitalen Ausleseeinheit für das Messsignal ermöglicht ein wesentlich schnelleres Messverfahren und stellt ein Paradebeispiel für ein biointelligentes System dar. Sie ist ein gutes Beispiel für die Steigerung der technologischen Leistungsfähigkeit durch die direkte Integration von technischen, informatorischen und biologischen Komponenten im Sinne des Konzepts der Biointelligenz.
Durch die Verwendung von lebenden Zellen als Sensorelement kann die Virusaktivität bzw. -infektion von Zielzellen in Echtzeit während des Produktionsprozesses beobachtet werden.
Warum ist das wichtig?
- Durch die Echtzeitüberwachung der Virusaktivität können potenzielle Engpässe oder Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden. Dies reduziert den Zeitaufwand und beschleunigt die Produktionsprozesse
- Die BioProS-Technologie ermöglicht eine echtzeitfähige und zuverlässige Messung der Virusaktivität. Dadurch kann die Qualität der Viruspräparationen besser überwacht warden, die Qualitätskontrolle wird verbessert.
- Durch die Optimierung der Produktionsprozesse und die Vermeidung von Fehlern oder Qualitätsproblemen können Kosten eingespart werden. Die BioProS-Technologie trägt dazu bei, den Materialverbrauch zu reduzieren, die Ausbeute zu verbessern und die Notwendigkeit aufwändiger manueller Schritte zu verringern, was die Kosteneffizienz
- Der Sensor ist darauf ausgelegt, in industriellen Umgebungen eingesetzt zu werden und kann leicht skaliert werden. Die Skalierbarkeit ermöglicht die Produktion von Viren in großem Maßstab und gewährleistet eine breitere Verfügbarkeit von Virus-basierten Therapien.
- Durch die Echtzeitüberwachung und -analyse können potenzielle Kontaminationsrisiken frühzeitig erkannt und minimiert werden. Dies trägt zur Sicherheit und Reinheit der hergestellten Viruspräparationen bei.
Im BioProS-Projekt wird ein biointelligentes Sensorsystem entwickelt, das aus zwei Teilen besteht. Neben dem miniaturisierten Biosensorchip, der die Aktivität und Anzahl von Viruspartikeln in Echtzeit während der Produktion misst, soll eine automatisierte Auswertungsplattform für zellbasierte Biosensoren entwickelt werden, die eine schnellere Prozessentwicklung ermöglicht. Ziel dieser Plattform ist es, das Messprinzip zur Erfassung viraler Aktivität zu etablieren und gleichzeitig multiparametrische Analysen mit lebenden Zellen als Messgröße durchzuführen. Die Auswertungsplattform wird so konzipiert, dass sie auch für weitere bio-integrierte Sensorsysteme verwendet und somit in andere Branchen und Produktionsumgebungen transferiert werden kann.
Aufgrund der Komplexität einer solchen Technologie ist eine Bündelung diverser Kompetenzen aus verschiedenen Disziplinen (u.a. Virologie, Ingenieurwissenschaften, Data Science, Maschinenbau) erforderlich. Das BioProS-Konsortium, bestehend aus sieben Partnern aus fünf Ländern, vereint alle erforderlichen Kenntnisse unter einem Dach und bildet die Basis für internationale Partnerschaften. Die Projektpartner wollen die Vision der biointelligenten Fertigung umsetzen und die Anwendbarkeit disruptiver Technologien im industriellen Umfeld demonstrieren.
Wir berichten weiter über den Projektverlauf. Aktivieren Sie unsere Mail-Benachrichtung, dann bleiben Sie bequem auf dem Laufenden.
Infobox:
Projekttitel: BioProS – Biointelligent Production Sensor to Measure Viral Activity
Projektlaufzeit: Juli 2022 – Juni 2026
Projektpartner: Fraunhofer IPA (Koordination), Fraunhofer IGB, NecstGen, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Politecnico di Milano, Elvesys, CELLINK, EurA AG
Fördergeber: Europäische Union
Fördersumme: 6 317 693,50 Euro
Dieses Projekt wurde mit Mitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm »Horizon Europe« der Europäischen Union gefördert (HORIZON-CL4-2021-DIGITAL-EMERGING-01-27: Entwicklung von Technologien/Geräten für die biointelligente Fertigung (RIA)) unter der Fördervereinbarungsnummer 101070120.