Die Zeit drängt. Dieses Fazit zum Auftakt der COP26 UN-Klimakonferenz 2021 dieser Tage bleibt einem im Gedächtnis. Der Präsident der Weltklimakonferenz, Alok Sharma, sprach von einem Weckruf: Wenn der Klimawandel nicht in den Griff zu bekommen ist, wird die Menschheit einer Katastrophe gegenüberstehen. Das Ziel, die CO2-Emissionen der Menschheit drastisch zu reduzieren ist aktueller denn je. Dieses Ziel unterstützen wir durch ein Umdenken: CO2 als Ressource zu nutzen.
Um sich dieser Vision anzunähern, stand im letzten Beitrag dieser Reihe die Frage im Mittelpunkt, wie CO2 als Rohstoff gewonnen und nutzbar gemacht werden kann. Als zentrale Schnittstelle erweisen sich hierbei die Grundchemikalien Methanol, Ameisensäure oder Synthesegas. Wie diese heute schon wichtigen Intermediate der chemischen Industrie aus CO2 produziert werden können, darum soll es im Folgenden gehen.
Durch die Erschließung von kommerziellen Verwertungsrouten für CO2 kann Mehrwert und auch Motivation für eine Umsetzung geschaffen werden. Konkret kann man Produkte, die aus CO2 produziert werden, gewinnbringend verkaufen. In einem ersten Schritt nähern wir uns den bisherigen CO2-Konversionstechnologien an. Abbildung 1 fasst existierende Technologien (rote Boxen) zu den kommerziell relevanten Grundchemikalien Methanol, Ameisensäure und Synthesegas (graue Boxen) zusammen (»Power-to-X«). Eine Zuführung dieser Grundchemikalien als Intermediate von innovativen Syntheserouten für komplexere Produkte (»Power-to-X-to-Y«) kann weiterhin sinnvoll sein. Dadurch kann letztlich eine nachhaltige Fixierung von CO2 − in Form von chemischen Produkten − erreicht und der Atmosphäre langfristig das schädliche Klimagas entzogen werden. Ein Vorbehalt ist hierbei, dass für diese Prozesse konsequent CO2-neutrale erneuerbare Energien genutzt werden.
Synthesegas
Für die chemische Industrie ist Synthesegas ein wichtiger Stoffstrom. Insbesondere wird Synthesegas für die Herstellung von Methan und Methanol oder im Fischer-Tropsch-Verfahren für die Herstellung von Kohlenwasserstoffen verwendet. Die Konversion von CO2 mit Wasserstoff zu Synthesegas über die reverse Wassergas-Shift-Reaktion ist ein bekannter, aber großtechnisch noch nicht realisierter Prozess (Abbildung 1). Heute stammen 99,9 Prozent des hergestellten Synthesegases aus fossilen Ressourcen. Dabei wäre die Bereitstellung von erneuerbarem Synthesegas durch Nutzung von nachhaltig hergestelltem Wasserstoff zusammen mit CO2 aus der Luft oder aus Fermentationsprozessen als Alternative zukünftig möglich.
Als ein positives Beispiel möchten wir auf die Synthesegas-Fermentation hinweisen, die unter anderem von der Firma LanzaTech Inc. eingesetzt wird. Lesen Sie im nächsten Beitrag mehr dazu, wie in diesem Prozess in der Stahlproduktion anfallendes Synthesegas zu Wertprodukten umgewandelt wird.
Methanol
Kommerziell interessant ist Methanol. Methanol zählt als Energieträger, Lösungsmittel und Intermediat zu den wichtigsten Basischemikalien der chemischen Industrie. Verbindungen wie Formaldehyd, Essigsäure oder Methylamin können direkt aus Methanol abgeleitet werden, ebenso wie Kraftstoffe und Kraftstoffadditive. Die Jahresproduktion ist mit fast 80 Millionen Tonnen (Stand Ende 2017)1 enorm hoch und wird nahezu ausschließlich durch Synthesen aus fossilen Quellen bedient. Dadurch besteht ein vielversprechender Markt für nachhaltig hergestelltes Methanol − entkoppelt von der Ausbeutung fossiler Ressourcen.
Methanol wird vor allem aus Synthesegas oder CO2/H2-Gasgemischen oder durch die Oxidation von Methan hergestellt. Daneben wird intensiv an elektrokatalytischen, photokatalytischen oder biotechnologischen Prozessen für die Methanol-Synthese aus CO2 und Wasser geforscht (Abbildung 1). Diese Verfahren wurden bisher nur im Labormaßstab demonstriert. Der Institutsteil Straubing des Fraunhofer IGB forscht hierbei an Katalysatoren für die heterogen-katalytische CO2/H2O-Syntheseroute, um erneuerbares Methanol bereitzustellen2. In diesem Zuge zeigt auch die Zusammenarbeit des Fraunhofer IGB mit großen petrochemischen Konzernen wie Total Energies das große Interesse der Industrie an der nachhaltigen Methanol-Synthese3.
Ameisensäure
Insbesondere Ameisensäure ist als einfache Verbindung, die aus CO2 abgeleitet werden kann, in den letzten Jahren in den Forschungsfokus gerückt. Bis 1998 fand diese C1-Karbonsäure als Konservierungsmittel (E236) in Lebensmitteln Verwendung. Heutzutage wird Ameisensäure in Desinfektionsmitteln, zur Neutralisation von alkalischen Reaktionsgemischen in der chemischen Industrie und zur Entkalkung von Kühlwassersystemen eingesetzt. Diese Anwendungen schöpfen das Potenzial von Ameisensäure aber noch lange nicht aus. Denn bisher wird Ameisensäure noch nicht als Intermediat in Produktionsprozessen eingesetzt. Somit bestehen noch viele wirtschaftlich ungenutzte Möglichkeiten, Ameisensäure zu verwenden. Lesen Sie mehr dazu im kommenden Beitrag!
Die Ameisensäure-Synthese wird über die Reaktion von Kohlenmonoxid (CO) mit Natriumhydroxid (NaOH) realisiert, kann aber auch aus Methanol über Ameisensäuremethylester erreicht werden. Diese Prozesse sind somit noch nicht nachhaltig und basieren auf fossilen Ressourcen.
Herstellungsmethoden basierend auf CO2 und Wasser, die aktuell in der Entwicklung sind, umfassen elektrokatalytische Prozesse an Gas-Diffusions-Elektroden oder photokatalytische und mikrobielle/enzymatische Syntheserouten. Insbesondere möchten wir unsere Leistungen in der elektrochemischen Ameisensäure-Synthese aus CO2 hervorheben, die im EU-geförderten Projekt CELBICON erfolgreich demonstriert wurde4. Die einfache Herstellung aus CO2 hat zu der Diskussion geführt, ob Ameisensäure ein geeignetes Substrat für biotechnologische Prozesse ist5. Forschungsarbeiten dazu laufen weltweit, auch am Fraunhofer IGB, und werden im nächsten Beitrag vorgestellt.
Methanol und Ameisensäure sind kommerziell vielversprechende Produkte aus CO2
In diesem Beitrag wurden Routen vorgestellt, die CO2 in wirtschaftlich wichtige Produkte umwandeln können. Insbesondere die Herstellung von Methanol und Ameisensäure ist vielversprechend, sei es als Produkt an sich oder als Intermediat für nachgeschaltete Syntheserouten. Unter Verwendung von CO2 (aus erneuerbaren Quellen), nachhaltig hergestelltem Wasserstoff oder Wasser kann der ökologische Fußabdruck dieser Produktionsprozesse optimiert werden. Somit bleiben − durch die Gewinnung von CO2 und die energieintensive Wasserstoffherstellung − regenerative Energien der wichtigste Schlüssel für eine erfolgreiche Entwicklung kohlenstoffnegativer Produktionsprozesse.
Der Preis der konventionell hergestellten Grundchemikalien Methanol und Ameisensäure ist im Vergleich zu den CO2-basierten Verfahren bisher niedrig. Deswegen ist die gekoppelte Verwertung von Methanol und Ameisensäure aus CO2 wirtschaftlich interessant, wenn höherwertige Produkte bereitgestellt werden können. Im gleichen Zug ist ein weiterer ökonomischer Hebel der Preis der CO2-Emissionszertifikate: Steigerungen hierbei können sich sehr schnell auf den Produktionspreis auswirken und nachhaltige Syntheserouten − basierend auf CO2 − für Methanol oder Ameisensäure konkurrenzfähig gestalten. Schließlich erlauben solche nachgeschalteten Verwertungsrouten durch die Herstellung von langlebigen Produkten einen dauerhaften Entzug des CO2 aus der Atmosphäre.
Sie haben Interesse zu erfahren, welche angeschlossenen Verwertungsoptionen bestehen, im Sinne von Power-to-X-to-Y? Das lesen Sie im nächsten Beitrag. Sie können uns auch jederzeit direkt kontaktieren um individuelle Lösungen zu diskutieren.
Power-to-X
Unter dem Begriff »Power-to-X« werden Technologien zur Speicherung und Nutzung von Stromüberschüssen zusammengefasst, wobei der Strom zumeist aus regenerativen Quellen wie Solar-, Wind- oder Wasserkraftanlagen stammt. Gespeichert wird die Energie dabei chemisch bzw. in Form von energiehaltigen chemischen Verbindungen.
Power-to-X-to-Y
Mit »Power-to-X-to-Y« sind Technologien gemeint, die das Power-to-X-Konzept um einen zusätzlichen Schritt erweitern: Die in den Power-to-X-Verfahren hergestellten energiehaltigen chemischen Verbindungen können als Rohstoff in nachfolgenden chemischen, elektrochemischen oder biotechnologischen Verfahren zu vielfältigen Produkten mit hoher Wertschöpfung umgewandelt werden.
Verwendete Referenzen:
1www.argusmedia.com (Argus Global Methanol Demand 2018 Market Reporting on Petrochemicals)
4https://www.igb.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/2020/Celbicon.html
5https://doi.org/10.1016/j.cbpa.2016.07.005
Weiterführende Links:
Nachhaltige katalytische Prozesse