Manche Menschen – insbesondere junge Leute – wissen heute nicht, was eine Kassette ist. Durch die (Fraunhofer-)Erfindung des mp3-Formats ist Musik digitalisiert worden und Kassetten ein Relikt der Vergangenheit. Stellen wir uns vor, dasselbe Schicksal würde Plastik ereilen.
Aktuell können wir uns ein Leben ohne Plastik nicht vorstellen, doch die Forschung bereitet bereits eine Revolution vor, die Plastik von seinem Thron stürzen und das Zeitalter der Nachhaltigkeit einläuten soll. Mit dem Ziel, dass die folgenden Generationen nicht mehr unter der Plastikherrschaft aufwachsen werden.
Wer soll gegen King Plastik antreten?
Wer kann es mit ihm aufnehmen? Schließlich hat es unglaublich vielfältige Eigenschaften und ist quasi der Gestaltwandler unter den Materialien. Egal ob weich, hart, dünn, dick, durchsichtig oder farbig – Plastik kann sein, was immer du willst. Es kann alle möglichen Formen einnehmen: vom kaum sichtbaren Mikroplastik in Kosmetikprodukten über feinen Polyester-Garn bis hin zur klobigen Mülltonne. Kein Wunder also, dass Plastik so lange die Herrschaft über unsere Konsumgüter behalten hat.
Blicken wir auf die Reihe der Widerständler
Es gibt eine Vielzahl von biobasierten und bioabbaubaren Materialien, die aus natürlichen Quellen wie Holzfasern, Holzbestandteilen (Cellulose, Lignin), pflanzlichen Proteinen (z. B. aus Soja oder Erbse), Stärke (z. B. aus Kartoffeln, Weizen, Mais), Chitin (aus Krabbenschalen oder Pilzen) oder landwirtschaftlichen Abfällen wie Strohfasern hergestellt werden können. Manch einer würde zu dieser Liste auch Bioplastik wie PLA (polylactic acid oder Polymilchsäure) dazuzählen, da als Ausgangsstoff z. B. Mais verwendet werden kann und es damit biobasiert ist. Es ist dabei wichtig anzumerken, dass häufig die biologische Abbaubarkeit von PLA unter bestimmten Bedingungen in industriellen Kompostieranlagen betrachtet wird. In der Natur dauert der Abbau von PLA jedoch bedeutend länger. Daher kann PLA als Alternative zu herkömmlichem Plastik je nach Anwendungsgebiet auch kritisch betrachtet werden. Es besteht für viele Anwendungen weiterhin ein Bedarf an Alternativen, die unter realistischen Bedingungen effizient abgebaut werden können.
Manko: Verbundenheit
Kommen wir also wieder zu den anfangs erwähnten Rohstoffen (Holz, pflanzliche Proteine etc.). Eine Hürde für die biobasierten und bioabbaubaren Materialien auf dem Weg zum Sieg, ist die mangelnde Kooperation der verschiedenen Inhaltstoffe. Heißt, sie verbinden bzw. kleben nicht genug aneinander. Daher werden diese Stoffe häufig mit herkömmlichem Plastik oder PLA vermischt, was zwar besser ist als Plastik alleine zu verwenden, aber auch nicht wirklich eine Lösung ist.
Enzyme verbinden
Hier kommt nun das Projekt Insect Inspired Manufacturing, kurz IIM, vom Fraunhofer WKI und IPA ins Spiel. Wir arbeiten an verschiedenen biobasierten und bioabbaubaren Kleberkompositionen, die Holzpartikel miteinander verbinden. Dabei kommen u. a. pflanzliche Proteine und Inhaltstoffe aus Pilzmyzel zum Einsatz. Unser Ass im Ärmel sind Enzyme, also kleine unsichtbare Supermaschinen, die mit unglaublicher Geschwindigkeit Reaktionen umsetzen, für die es normalerweise aggressive Chemikalien oder hohe Temperaturen bzw. Drücke brauchen würde. Die enzymatische Vernetzung der Inhaltsstoffe soll für eine höhere Stabilität und Festigkeit des Materials sorgen. Die entwickelten Kleber werden für verschiedene Anwendungen getestet, von harten Holzwerkstoffplatten über weiche Pasten für den 3D-Druck bis hin zu fluffigem Dämmschaum.
Doch dies ist erst der Anfang – Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut. Noch können diese Materialien nur eingeschränkt Plastik ersetzen. Wir arbeiten daher weiter daran, den Weg zur Revolution zu ebnen, bis nachhaltige Materialien die Welt erobern.
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