Wer von uns möchte das heutzutage nicht? Seinen CO2-Fußabdruck senken. Zum Beispiel durch den Kauf eines Elektroautos? Durch eine vegane Ernährung? Oder man macht es sich einfach und kauft CO2-Zertifikate zur Kompensation. Die dahinterstehenden Organisationen investieren dann das Geld in Klimaschutz-Projekte. Eine kürzlich erschienene Recherche zeigt, dass über 90 Prozent1 dieser Zertifikate wertlos sind. Warum das so ist und was wir verbessern können, soll dieser Beitrag veranschaulichen.
Jeder hat schon einmal davon gehört: CO2-Zertifikate. Aber was steckt dahinter? Das wollte ich genauer herausfinden und mit unserer Sicht auf die CO2-Verwertung vergleichen. Dafür kam mir eine kürzlich erschienene mediale Recherche zu einem globalen Skandal um CO2-Zertifikate gerade recht.
Heutzutage erkaufen sich viele Unternehmen das Label »Klimaneutral« für ihre Produkte über den Kauf von CO2-Zertifikaten. Man kann diese Zertifikate als moderne Ablassbriefe verstehen2. Das heißt, es wird Geld bezahlt, um die unternehmenseigenen CO2-Emissionen zu kompensieren. Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass noch mehr Emissionen entstehen, da die Konsequenzen schließlich verhindert werden2. Man kauft sich ja guten Gewissens frei, oder?
Das Geld wird für Projekte genutzt, die durch ausgestoßenes CO2 verursachte Schäden ausgleichen sollen. Solche Projekte können beispielsweise die Aufforstung oder der Schutz von Wäldern vor Abholzung sein. Der Gedanke ist, dass die Bäume beim Wachstum CO2 in der Biomasse binden. Daneben kann der Ausbau erneuerbarer Energien finanziell unterstützt werden (Bau von Windkraft- oder Solaranlagen und Staudämmen), was tatsächlich die CO2-Emissionen durch die einhergehende verringerte Nutzung fossiler Brennstoffe in der Energiegewinnung senken kann.
Somit sollte, an und für sich, der Kauf solcher Zertifikate eine wirkliche Kompensation darstellen. Die Schwierigkeit dabei ist und bleibt die Messung des Effekts. Also wieviel CO2 wurde in der mithilfe dieses Gelds gepflanzten Biomasse gebunden? Wie viel CO2 hat ein vor Abholzung geschützter Wald aufgenommen oder wurde durch den Bau und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen eingespart?
Welche der Projekte sind seriös? Wer überprüft das? Verra heißt die nichtstaatliche Organisation (NGO), die 75 Prozent aller freiwilligen CO2-Kompensationsprojekte zertifiziert. Das heißt, diese Organisation entscheidet, wie viele Zertifikate auf ein bestimmtes Projekt angerechnet werden. Diese Organisation trägt die Verantwortung, dass ein Zertifikat mit einer tatsächlichen Einsparung von CO2 verbunden ist.3
Problematisch dabei sind nicht Kompensationsprojekte, die den Ausbau erneuerbarer Energie fördern oder die Aufforstung unterstützen. Diese haben einen klar messbaren Nutzen. Vielmehr sind Projekte problematisch, die den Schutz bestehender Waldgebiete als Ziel haben2,3.
Das liegt daran, dass solche Projekte abschätzen, wie wahrscheinlich ein Zielgebiet in den nächsten Jahren abgeholzt wird im Vergleich zu einem Referenzgebiet, bei dem die Kapazität zur CO2-Kompensation durch aufwändige und intransparente Berechnungen abgeschätzt wurde. Den Besitzern des Zielgebiets wird dabei Geld gezahlt, um die Abholzung zu verringern oder zu verhindern − und zwar im Verhältnis zu der durch die Vermeidung der Abholzung gebundenen Menge an CO2. Das sind dann die CO2-Zertifikate. Bei diesem Prozess gibt es sehr viele verschiedene Berechnungsweisen und diese können teilweise frei gewählt werden. Auch die Wahl des Referenzgebietes ist entscheidend. Deswegen ist der Wert der ausgegebenen Zertifikate nicht an die realen Gegebenheiten gebunden: Es ist eine Schätzung.
Und es ist eine Wette auf die Zukunft: Findet die Abholzung wirklich nicht statt? Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass das Waldgebiet das veranschlagte CO2 über einen längeren Betrachtungszeitraum aufnimmt. Es ist also ungewiss, ob der Effekt durch die ausgegebenen Zertifikate eintritt. Die aktuelle Recherche zeigte, dass bis zu 94 Prozent der von Verra ausgegebenen Zertifikate in ihrer Wirkung überschätzt werden oder die Berechnungsgrundlage nicht passend gewählt ist3.
Aber wie können wir es besser machen? Sicher, der Schutz bestehender Waldgebiete und die Investition in Aufforstung und erneuerbare Energien ist immens wichtig. Aus meiner Sicht ist die Entwicklung von Verfahren, die technisch CO2 speichern und nutzen, im Vergleich zu der beschriebenen Praxis des CO2-Zertifikatehandels sehr vielversprechend. Die Menge an tatsächlich gebundenem CO2 lässt sich genauer bestimmen und die Zeiträume sind viel kürzer im Vergleich zur Photosynthese, die der Treiber für die CO2-Bindung in pflanzlicher Biomasse ist.
Es muss aber konsequent das gesamte Verfahrens betrachtet werden, also auch Lieferketten und was mit dem gebundenen Kohlenstoff nach dem Ende der Lebenszeit der Produkte passiert.
Am wichtigsten aber bleibt es, dass wir weiter daran arbeiten, den Kohlenstoffkreislauf wieder zu schließen. Wir tun das4. Sie auch? Dann nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf.
Verwendete Referenzen:
1https://www.zeit.de/politik/2023-01/co2-zertifikate-emissionshandel-betrug-nachrichtenpodcast
4https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-12/co2-ressource-klimaschutz-klimawandel
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