Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für die Energiewende und entsprechende Herstellungsverfahren liegen somit hoch im Kurs. Am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart wurde deswegen im Projekt SmartBioH2 ein neuartiges biobasiertes Verfahren und ein Bioraffinerie-Konzept entwickelt. Die Wasserstoffproduktion läuft dabei über zwei gekoppelte Prozesse ab: einerseits via Dunkelphotosynthese mithilfe von Purpurbakterien und andererseits über Direkte Photolyse mittels Mikroalgen. Beim zweiten Schritt nutzen die Forschenden des Instituts einen Sicherheitsmechanismus der einzelligen Organismen aus. Wie das genau funktioniert, was dabei die Herausforderungen sind und welchen Lösungsansatz das Projektteam nun verfolgt, beschreibt IGB-Wissenschaftler und Mikroalgen-Experte Andrew Corbin in unserem dritten Blog-Beitrag zu SmartBioH2.
Die Vorstellung scheint schon fast zu schön, um wahr zu sein – Wasserstoff direkt aus Licht und Wasser produzieren! Es wurde jedoch schon vor über 80 Jahren entdeckt, dass Mikroalgen genau das machen können. Diese wundervollen kleinen Organismen, welche unseren Planeten schon seit Milliarden von Jahren besiedeln, besitzen einen Mechanismus, der unter bestimmten Bedingungen diesen Wasserstoff produziert.
Wie funktioniert das Ganze?
In natürlicher Umgebung treten diese Bedingungen auf, wenn sich die Algen in einem anaeroben Milieu befinden und nach einer längeren Dunkelphase plötzlich ans Licht kommen. Bei der Wasserstoffproduktion, wird − wie bei der gewöhnlichen Photosynthese − zuerst einmal Wasser gespalten und dazu die Energie aus den Photonen genutzt. Die so gewonnenen Elektronen werden jetzt aber nicht wie bei der Photosynthese dazu verwendet, CO2 aus der Luft umzuwandeln, sondern sie werden anhand bestimmter Enzyme (Hydrogenasen) dazu genutzt, Protonen zu Wasserstoff zu reduzieren.
Die Krux dabei…
Die Algen machen das Ganze natürlich nicht zum Spaß – immerhin geht für die Organismen so wertvolle Energie verloren. Für sie ist dieser Mechanismus ein überlebensnotwendiges »Sicherheitsventil«, da ihre photosynthetischen Membranen ansonsten bei den entsprechenden Bedingungen zerstört werden könnten. Ähnlich wie ein Ventil eines Dampfkochtopfes diesen vor zu hohem Dampfdruck bewahrt, schützt die Wasserstoffproduktion die Algen vor einem zu hohen »Elektronendruck« in der photosynthetischen Membran. Sie brauchen diesen Sicherheitsmechanismus jedoch nur während wenigen Minuten und sie können danach sogar einen Teil des produzierten Wasserstoffs wieder aufnehmen und so einen Teil der verlorenen Energie zurückgewinnen. Und genau da liegt der Hund begraben. Um den Prozess im Projekt SmartBioH2 technisch nutzen zu können, sollte der Prozess natürlich kontinuierlich ablaufen und nicht nur ein paar Minuten.
Der Schlüssel für die Aufrechterhaltung des Prozesses liegt beim Sauerstoff! Dieser wird nämlich bei der Spaltung von Wasser produziert und oxidiert dann zunehmend die wichtigen Hydrogenasen, welche für die Wasserstoffproduktion benötigt werden. Der hergestellte Sauerstoff muss also laufend entfernt und der Sauerstoffpartialdruck im System sehr tief gehalten werden, um den Prozess technisch nutzbar zu machen. In den letzten Jahrzehnten wurde vieles versucht, um diesen Sauerstoff zu entfernen, dessen Produktion zu mindern oder gar die Hydrogenasen robuster zu machen. Bisher konnten sich leider keine Verfahren durchsetzen, welche wirtschaftlich in einem größeren Maßstab umgesetzt werden konnten. Am IGB wird aktuell ein neuer Ansatz getestet, der genau dieses Ziel zu erreichen versucht.
Neuartiger Ansatz im Rahmen des Projektes SmartBioH2
Anhand des Reststoffstroms Ammoniumchlorid, welcher bei Evonik anfällt, und CO2, das von den Bakterien Rhodospirillum rubrum in der (kürzlich im Blog beschriebenen) Dunkelphotosynthese gebildet wird, werden zuerst Mikroalgen vom Typ C. reinhardtii kultiviert. Das Ziel ist, in einer zweiten Stufe über die sogenannte »Direkte Photolyse« und durch eine kontinuierliche Entfernung von Sauerstoff aus dem Prozess die Wasserstoffproduktion über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Für die Abscheidung von Sauerstoff aus dem System wurde dabei ein neuartiger Ansatz gesucht.
Die Entwicklung des Prozesses zur Wasserstoffproduktion im Rahmen des Projektes SmartBioH2 wurde bisher im Labormaßstab umgesetzt. Nach ersten erfolgreichen Versuchen, in denen der Sauerstoff auf eine kostengünstige Art und Weise abgeschieden werden konnte, soll eine Patentanmeldung folgen und ein Modul im Demonstrator-Maßstab zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden. Ein großer Vorteil des entwickelten Prozesses ist dessen gute Skalierbarkeit, was eine spätere Implementierung im Bioraffinerie-Konzept am Standort Rheinfelden bei Evonik erleichtern würde. Die direkte Wasserstoffproduktion aus Licht und Wasser könnte auf jeden Fall ein wichtiger Schritt für eine nachhaltige Produktion von Biowasserstoff sein!
Sehen auch Sie in Ihrem Betrieb Potenziale zur Nutzung von Reststoffströmen oder der Herstellung von Wasserstoff? Kontaktieren Sie uns gern, wir sondieren gern mit Ihnen weitere Anwendungsmöglichkeiten unseres Bioraffinerie-Konzepts.
Weitere Infos zum Projekt
Die Projektpartner
- Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB (Koordination)
- Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
- Universität Stuttgart, Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme IBBS
- Universität Stuttgart, Institut für Energieeffizienz in der Produktion EEP
- Evonik Operations GmbH (assoziierter Partner)
Förderung
Das Projekt »SmartBioH2-BW – Biowasserstoff aus industriellen Abwasser- und Reststoffströmen als Plattform für vielseitige Biosynthesewege« wurde von Oktober 2021 bis Oktober 2024 durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg im Rahmen des EFRE-Programms »Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling« gefördert.