Unter dem Motto »Ist die Zelle unser neuer USB-Stick?« wurde im letzten Blog-Post in das Thema der Biologie-Technik-Schnittstellen eingeleitet und ihre wesentliche Rolle für biointelligente Systeme herausgestellt. In diesem Blog-Post geht es um unseren Ansatz einer Technologieplattform für Biologie-Technik-Schnittstellen. Wir haben uns mit der Frage beschäftigt, welche Funktionen eine solche Schnittstelle erfüllen muss und welche Technologien für die Realisierung relevant sein können. In Anlehnung an einen USB-Stick, haben wir eine Zelle als Datenspeicher und Computing-Element betrachtet und unsere Schnittstelle USB-Cell getauft.
USB-Cell: Funktionen einer Biologie-Technik-Schnittstelle
Zunächst haben wir die Funktionen der Bauteile eines USB-Sticks betrachtet und abstrahiert. Diese Funktionen haben wir versucht, in die Biologie bzw. Biotechnologie zu übertragen und uns mehrere Szenarien für den USB-Cell-Port überlegt. Das Ergebnis waren acht Kernfunktionen die für eine Biologie-Technik-Schnittstelle im Sinne eines USB-Cell-Ports wichtig sind:
- Detektion der Zellen
- Vereinzelung der Zellen
- Reversible Fixierung der Einzelzelle
- Versorgung der Zellen mit Nährmedium
- Gehäuse zum Schutz der Zellen
- Modifikation vorhandener Informationen oder Induktion von Prozessen in Zellen
- DNA-Daten-Speicherung in Zellen
- Readout von Zellinformationen
Der Prozessablauf auf Grundlage eines USB-Cell-Ports könnte demnach wie folgt aussehen: Zunächst werden Zellen detektiert, vereinzelt und die einzelnen Zellen gezielt auf einem Chip o. Ä. fixiert. Auf dem Chip werden die einzelnen Zellen durch ein Nährmedium am Leben bzw. funktionsfähig gehalten und nach außen hin über ein Gehäuse geschützt. Hierdurch werden optimale Umgebungsbedingungen geschaffen, die es vereinfachen, die Zellen genetischen Modifikationen oder Induktionen auszusetzen. Eingeschleuste Daten können somit in den Zellen gespeichert, in Form von zellbiologischen Programmen umgesetzt und über verschiedene Readout-Technologien gewonnen werden.
Tool-Kit zur Entwicklung eines USB-Cell-Ports: Die Vision einer Technologieplattform
Den acht ermittelten biologischen Kernfunktionen einer Biologie-Technik-Schnittstelle haben wir eine Vielzahl an vorhandenen Technologien zugeordnet, die konkret zur Umsetzung eines USB-Cell-Ports beitragen können. Daraus entstand eine umfangreiche Übersicht, die Technologien mit Erläuterungen, Beispielvideos, Datenblätter, Paper, Studien, Links und weiterführende Literatur beinhaltet. Die Übersicht ermöglicht es, Tendenzen und Fokusthemen in Technologiefeldern zu identifizieren und somit Roadmaps als auch Handlungsempfehlungen abzuleiten. Sie bildet ein gewinnbringendes Fundament zur Identifizierung von White-Spots und Kombinationsmöglichkeiten zwischen den Technologien, um langfristig gezielt Biologie-Technik-Schnittstellen für biointelligente Systeme der Zukunft entwickeln zu können. Über einen regen Austausch mit Experten der verschiedenen Technologiezweige wächst die Übersicht. Daraus soll mittelfristig die konkrete Beratung von Industrie- und Forschungspartnern in Bezug auf Technologien und deren Verknüpfung erwachsen.
Next Steps: Projektpartner gesucht!
Wir arbeiten bereits daran, neben den bestehenden Detektionsgeräten, Demonstratoren zur Überprüfung der Umsetzbarkeit und Kombinationsmöglichkeit der Technologien aufzubauen. Damit gehen wir den wichtigen Schritt von einer reinen Wissensplattform hin zu einer anwendbaren Technologieplattform. Wir arbeiten beispielsweise an der Integration und Verbesserung von digitaler Mikrofluidik mit sogenannten Elektrowetting-Matten für Plattform-übergreifende Prozesse.
Darüber hinaus suchen wir nach Projektpartnern, sowohl aus der Industrie als auch aus der Forschung, die gemeinsam mit uns die ersten Schritte in Richtung eines USB-Cell-Ports gehen und erste Proof of Concepts in Form von anwendungsspezifischen Demonstratoren umsetzen wollen; ein großartiger Ansatzpunkt, um die hauseigene Infrastruktur und Expertise unseres »new Innovation Center for Laboratory Automation in Stuttgart« (nICLAS) gewinnbringend zu nutzen.
Wenn Sie also Interesse haben, können Sie uns gerne unter den unterstehenden Kontaktdaten erreichen. Benötigen Sie erstmal mehr Informationen? Kein Problem – Sie können diese einerseits über die unten zur Verfügung gestellten Links einholen, andererseits möchten wir Sie gerne auf unsere Folge-Posts über diesen Kanal hinweisen, da sich dieser Blog-Post als Auftakt einer Reihe versteht. Im nächsten Beitrag erörtern wir die Potenziale, aktuelle Herausforderungen, Anwendbarkeit und Vorteile unserer Plattform. Dabei werden Anwendungen bei potenziellen Partnern im Fokus stehen, zu denen gegebenenfalls auch bereits Sie gehören könnten. Von daher: Stay safe, stay healthy, and stay tuned … bis bald!
Ihr Blogger-Team zu Biologie-Technik-Schnittstellen,
Leselinks
Im Text verwendete Links & Quellen:
- Biologische Transformation und BIOTRAIN-Studie
- nICLAS – new Innovation Center for Laboratory Automation Stuttgart
- Wenn Maschinen riechen könnten … (Scouting-Projekt)
- Der KONIKORE Biosensor zur Geruchserkennung von Koniku
- Airbus successfully tests automated aviation security technology
Im Text verwendete Publikationen:
- Miehe,; Horbelt, J.; Baumgarten, Y.; Bauernhansl, T., Basic considerations for a digital twin of biointelligent systems: Applying technical design patterns to biological systems, CIRP Journal of Manufacturing Science and Technology, Volume 31, 2020, Pages 548-560, https://doi.org/10.1016/j.cirpj.2020.08.006.
- Full, J.; Baumgarten, Y.; Delbrück, L.; Sauer, A.; Miehe, R., Market Perspectives and Future Fields of Application of Odor Detection Biosensors within the Biological Transformation—A Systematic Analysis, Biosensors, Volume 11, 2021, Pages 93-118. https://doi.org/10.3390/bios11030093
Weiterführende Literatur und Links:
- Miehe, R.; Fischer, E.; Berndt, D.; Herzog, A.; Horbelt, J.; Full, J.; Bauernhans,l T., Schenk, M., Enabling bidirectional real time interaction between biological and technical systems: Structural basics of a control oriented modeling of biology-technology-interfaces, Procedia CIRP, Volume 81, 2019, Pages 63-68, ISSN 2212-8271, https://doi.org/10.1016/j.procir.2019.03.012.
- Molecular digital data storage using DNA
- Lebende Zellen als Datenspeicher
- Festplatten aus DNA speichern mehr als jeder Chip