Seit Jahren sind Kunststoffe DAS Material der Wahl, wenn es um personalisierte Einmalprodukte aus der additiven Fertigung, bekannt als 3D-Druck, geht. Der zunehmende Druck seitens des Gesetzgebers (Stichwort Verbot von Einmalartikeln aus Kunststoff durch die EU) als auch von Seiten der Verbraucher, die immer stärker nachhaltige und »grüne« Lösungen fordern, stellt gerade viele mittelständische Unternehmen vor große Herausforderungen. Manche überlegen, auf »Bioplastik« umzuschwenken – aber ist das wirklich DIE Lösung mit Zukunft?
Die gute Nachricht vorneweg: Die Forschung im Bereich biobasierter Materialen für die additive Fertigung hat in den vergangenen Jahren rasant an Fahrt aufgenommen. Einige dieser Materialien haben es sogar in die heimische Anwendung geschafft, allen voran PLA (Polymilchsäure). Und sie scheinen auch auf den ersten Blick eine »grüne Alternative« zu sein. Das Problem dabei ist, dass sie in normalen Entsorgungsbetrieben gar nicht komplett biologisch abgebaut werden und als Rückstände Umwelt und Boden verschmutzen. Hinzu kommt, dass ihre Herstellung sehr ressourcenintensiv ist, sodass man am Ende kaum etwas für die Umwelt getan hat.
Chitin und Lignin ersetzen Kunststoffe
Was braucht es also, um mit guten und »grünem« Gewissen additiv zu fertigen? Einfach das Plastik durch Bioplastik zu ersetzen, bringt langfristig also nicht viel. Aber die Idee, sich bei biologischen Substanzen und Rohstoffen umzuschauen, ist gar nicht so schlecht – man muss sie nur etwas weiter fassen. Denn in der Natur gibt es bereits viele Materialien, die alles mitbringen, was ein Material braucht, um die »alten« Kunststoffe zu ersetzen: sie sind gleichzeitig sehr leicht und belastbar und haben z. T. weitere, nützliche Eigenschaften wie wasserabweisend oder antimikrobiell. Der Clou ist, dass sie in rauen Mengen als Abfälle in der Agrar- und Forstwirtschaft anfallen und sehr günstig sind. Beispiele dafür sind Chitin oder Lignin.
Das Problem: chemisch bearbeitete Biopolymere sind nicht vollständig biologisch abbaubar
Ist das nun zu schön, um wahr zu sein? Leider ja, denn der Teufel liegt wie immer im Detail. Denn Biopolymere wie Chitin oder Lignin sind zwar sehr robust und belastbar – das führt aber auch dazu, dass sie schwer zu verarbeiten sind. Um sie dennoch für die additive Fertigung nutzbar machen zu können, haben Forschende zu verschiedenen Tricks aus der Chemie-Kiste gegriffen: mal sind es extrem harsche Bedingungen, unter denen die Biopolymere aufgespalten und modifiziert werden. Mal werden chemische Bindemittel wie Formaldehyd zugefügt, die die Polymere untereinander vernetzen. Das Resultat ist aber das Gleiche: ein biogenes Material, das zwar unter Einsatz von viel Chemie verarbeitet werden kann, das am Ende aber wiederum nicht vollständig biologisch abgebaut wird.
Die Lösung: 3D-Druck auf Basis von Enzymen
Es gibt aber noch eine weitere Alternative, die helfen kann, und zwar ohne viel Chemieeinsatz: Enzyme. Enzyme sind sehr selektive Proteine, die als natürlicher Katalysator chemische Reaktionen beschleunigen oder gar erst ermöglichen. Sie können z.B. Moleküle funktionalisieren, indem sie bestimmte Teile/Gruppen entfernen oder hinzufügen. Sie können große Molekülgruppen, sog. Polymere, miteinander verbinden und noch vieles mehr. Und genau die Fähigkeit, große Molekülgruppen miteinander gezielt zu verbinden, kann man sich im enzymbasierten 3D-Druck zu Nutze machen.
Auf das Zusammenspiel von Biopolymer und Enzym kommt´s an
Je nach ausgewähltem Rohstoff, z.B. Chitin aus der Krabbenverarbeitung, muss das dafür passende Enzymsystem ausgewählt werden. Denn oft kann ein einzelnes Enzym alleine die Schritte bis zur vollständigen Verknüpfung der Moleküle untereinander nicht bewerkstelligen: nur im Team läuft’s gut. Ist das Team gefunden, gilt es nun, die Prozessbedingungen soweit anzupassen, dass in jedem Schritt das spezialisierte Enzym optimal arbeiten kann: jeder Facharbeiter bekommt seine optimale Arbeitsumgebung. Und nach einigen Anpassungs- und Verbesserungsschritten steht am Ende ein Prozess, mit dem vollständig biogenes Material zum Beispiel über LDM (Liquid Deposition Modelling) verdruckt werden kann.
Anwendungen beispielsweise für die Medizintechnik
Dass dieser Ansatz nicht nur in der Theorie funktioniert, sondern auch in der Praxis Früchte trägt, konnten wir für Chitin bereits zeigen: So ist es gelungen mit einem Enzymsystem einen Prozess zu entwickeln, durch den verdruckbare Pasten hergestellt werden können. Der Prozess verzichtet vollständig auf organische Lösungsmittel und macht somit teure Umbauten für Abzugsanlagen oder Chemikalienlagerung unnötig. Das ausgehärtete Material selbst hat bisher in mechanischen Testreihen sehr gut abgeschnitten und zeigt das Potenzial, klassische Kunststoffe wie PE oder PP zu ersetzen. Gerade für hygienisch sensible Bereiche wie in der Medizintechnik ist dieses Material besonders interessant, da Chitin und seine Derivate für ihre antimikrobielle Wirkung bekannt sind.
Abfälle als Rohstoffe für die additive Fertigung von morgen
Das Potenzial der enzymbasierten additiven Fertigung ist groß: neben Chitin aus Krabbenschalen fallen beispielsweise große Mengen an Holzresten in der Forstwirtschaft an, ebenso wie Lignine aus der Papierherstellung – und das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. All‘ diese Biopolymere warten nur darauf, für die additive Fertigung genutzt werden, damit aus ehemaligen Nebenströmen innovative Wertströme entstehen für eine additive Fertigung von morgen: kunststofffrei und grün/nachhaltig. Verfügen auch Sie über ungeahnte Rohstoffe? Wir finden das passende Enzym dazu.