Wie man »Holzplastik« für den Drucker entwickelt: Evolutionsalgorithmen für den 3D-Druck

Was wäre, wenn wir einen Kunststoff aus 100 Prozent Naturmaterialien drucken könnten, um alltägliche Gegenstände herzustellen? Die Entwicklung eines solchen völlig neuen Materials dauert normalerweise sehr lange – es sei denn, wir nutzen die Tricks der Natur.

Die Gesellschaft begrüßt nachhaltige Produkte bei Farben, Klebstoffen, Bioplastik etc., insofern sie auch die gleichen Eigenschaften und Qualitäten aufweisen, die man von konventionell hergestellten gewohnt ist. Nur jene haben jahrzehntelange Entwicklungszeit hinter sich. Nun soll das ein neues Material in einem Rutsch erreichen? De-novo-Materialentwicklungen, die zum Ziel haben, mit nachwachsenden Rohstoffen erdölbasierte Produkte zu ersetzen, können auf keine Vorerfahrung bauen und benötigen eine sehr große Anzahl von Experimenten, um verschiedene Rohstoffmischungen physikalisch und chemisch zu testen. Jeder, der schon einmal gekocht oder gebacken hat, weiß, wie eine Prise Salz oder eine kleine Menge Mehl zu viel das Ergebnis verändern kann. Wenn man fünf Zutaten in jeweils zehn verschiedenen Mengenverhältnissen mischen möchte, entstehen 100 000 mögliche Kombinationen, die getestet werden müssen, um die beste zu finden.

Die Herausforderung: Die beste Kombination unter vielen möglichen Milliarden Kombinationen finden

Die Forscher von Uni Stuttgart IFF und Fraunhofer IPA haben sich das Ziel gesetzt, aus bis zu 15 verschiedenen natürlichen Zutaten wie Holzmehl, Zellulose und Lignin, die über enzymatische Prozesse kovalent miteinander verbunden werden, ein Kunststoff-ähnliches Material zu entwickeln. Dabei müssen sie Temperatur, pH-Wert und Inkubationszeiten mit verschiedenen Enzymen variieren, um die beste Kombination zu finden. Das ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Evolutionsalgorithmen als Lösung

Zum Glück bietet die Natur nicht nur die Rohstoffe, sondern auch eine Methode zur Optimierung: Evolutionsalgorithmen. Diese Algorithmen ahmen Vererbung, Mutation und Selektion mit Versuch und Irrtum nach. In Zusammenarbeit mit der Value Data GmbH nutzen die Forscher diese Algorithmen zusammen mit Künstlicher Intelligenz, um mit möglichst wenigen Experimenten die besten Materialeigenschaften vorherzusagen. Dieses innovative Konzept wurde erstmals auf der CIRP BioM 2024, die vom 11.–13. Juni 2024 in Dresden stattfand, vorgestellt (Schwarz et al.).

Flexibles Design und konstante Datenerfassung

Eine wichtige Erkenntnis bei der Zusammenarbeit von Materialforschern und KI-Experten ist, dass die Flexibilität des Versuchsdesigns mit der Notwendigkeit einer konsistenten Datenerfassung kollidiert. Die Materialkonzentrationen und -verhältnisse müssen schnell angepasst werden können, basierend auf neuen Erkenntnissen. Gleichzeitig müssen die Daten zur Schulung der KI vollständig und konsistent sein. Um dieses Dilemma zu lösen, wurde das phasenunterteilte Vorgehen »Optiframe« entwickelt. In jeder Phase bleiben die Vorgaben konstant, aber das Versuchsdesign ändert sich. Dieses Verfahren wird gerade auch auf die Entwicklung eines nachhaltigen Lacks übertragen. Ziel ist es, eine flexible Software zu entwickeln, die auf verschiedene biobasierte und konventionelle Materialsysteme anwendbar ist und die Entwicklung neuer nachhaltiger Produkte beschleunigt.

Der CIRP-Vortrag »A Concept for Reducing the Number of Complex Multi-Parametric Experiments in Bio-Production Engineering via Artificial Intelligence« wird im Tagungsband veröffentlicht. Sobald dieser auf ScienceDirect verfügbar ist, geben wir Ihnen Bescheid.

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